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Lichtverschmutzung - Die Dunkle Seite des Lichts

Zum Thema Licht und Verschmutzung

Menschen pflegen Dinge ihrer Umwelt nach deren Nutzen aus ihrer Sicht in Kategorien wie nützlich und schädlich einzuteilen. So gibt es z.B. unter Insekten "Nützlinge" wie "Schädlinge", die man vermutlich meistens aus der Sicht der Agrarwirtschaft eingeteilt hat. Ein "Nützling" bereitet den Boden schön auf, damit die Saat gedeiht, der "Schädling" hingegen verhindert einem die reiche Ernte. Unter Pflanzen kennt man "Nutzpflanzen" und "Unkraut", wobei die Einteilung in gut und böse selbst in der Agrarwirtschaft nicht so eindeutig ausfällt. So macht sich manche Pflanze auf der Wiese schön nützlich, während man sie auf den bestellten Feldern gnadenlos verfolgt, als Unkraut. Auch der Begriff "Schmutz" bezeichnet Dinge, die man eigentlich nicht einfach als gut oder schlecht einteilen kann. Während die Chemie nur Substanzen und Elemente kennt, muss der Mensch sie sorgfältig einteilen. So z.B. kann Öl auf einer Holzoberfläche als Pflegemittel gelten, während dieselbe Substanz auf dem Teppich, nicht allzu wunschgemäß verschüttet, eben als Schmutz gilt. "Verschmutzung" ist die unerwünschte Auswirkung einer Substanz.

Beim Thema Licht werden die meisten Menschen verwundert sein, wenn sie das Wort "Verschmutzung" hören. Ist Licht nicht immer "schön", "hell" und irgendwie begehrenswert? "Im Anfang war das Licht" und jetzt soll es eine "Verschmutzung" sein? "Da sprach Gott: "Es werde Licht!" Und es ward Licht. Gott sah, dass das Licht gut war." heisst es in der Genesis. Die Bibel hört danach aber nicht auf, das Licht zu loben. Sie fährt fort:"Da trennte Gott Licht von Finsternis." Bis hierher kann man die Bibel als Zeugnis dafür anführen, dass man Licht immer in einem positiven Licht sehen sollte. Doch die Bibel sagt nicht, Gott habe die Finsternis abgeschafft. Sie bestimmt im Wechsel mit Licht praktisch das gesamte Leben auf der Erde. (Erst seit kurzem weiß man, dass es auch Lebewesen mit gewaltigen Ausmaßen gibt, die ohne Licht leben.) Im übrigen sagt der - ungläubige - Physiker etwa dasselbe über Licht wie die Bibel: Am Anfang war der Big Bang, dann erfüllte Licht das Universum!

Menschen, die sich mit den Lebensvorgängen beschäftigen, egal ob als gläubiger Christ oder Forscher auf dem Gebiet der Schicharbeit, sind sich der Bedeutung der Finsternis bewusst. In der Regel hält sich aber die Betroffenheit in der Bevölkerung in Grenzen. Niemand denkt an Verschmutzung, wenn in allen Lebensräumen immer mehr künstliche Beleuchtung das Dunkle vertreibt. Seit etwa 50 Jahren gibt es auf der Welt sehr wenige Stellen, wo es richtig dunkel wird. Selbst in den Weiten der Ozeane kann es nachts "taghell" werden, wenn sich dort eine ausgedehnte Fischfangflotte an die Arbeit macht. Man muss allerdings nicht so weit fahren, um die allseits herrschende Lichtgläubigkeit zu erkennen. Es genügt, sich im eigenen Büro umzusehen. Wie viel Licht ist dort, wo es benötigt wird? Wie viel Licht wird verwendet, um die Umgebung angenehmer zu gestalten? Und wie viel Licht ergießt sich einer Soße gleich über Alles, ohne dass ein Nutzen erkennbar wäre? Das Letztere ist Lichtverschmutzung. Zwischen der Anbetung der künstlichen Helligkeit, die und seit der Erfindung des elektrischen Lichts propagiert wird (s. Bild 1) und der Ablehnung jeglicher künstlicher Beleuchtung, die ebenso unsinnig ist, gibt es intelligentere Wege, wie man Licht sinnvoll einsetzt, ohne damit Probleme zu schaffen.


Bild 1) Künstliches Licht als neues Mekka für Menschen (www.direkter-kontakt-mit-gott.org/html/lampen.htm)

 

Einfluss der künstlichen Beleuchtung auf die Umwelt

Wer glaubt, dass Licht Leben sei und dass Alles Leben durch Licht gesteuert werde, muss konsequenterweise einsehen, dass jedes Licht, das außerhalb der hellen Tageshälfte erzeugt wird, das Leben in der Natur mehr oder weniger stark verändert.
Solche Veränderungen sind auch in unserer unmittelbaren Umgebung (Büro, Wohnraum, Sportstadion) beobachtbar. So verwandeln sich z.B. viele Leuchten im Freien nach kurzer Betriebsdauer in Insektengräber (Bild 2)
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Bild 2) Außenleuchte als Insektengrab (www.uni-mainz.de/FB/Biologie/Zoologie/abt1/eisenbeis/Homepage_Licht_Umwelt.htm)

Auch im Innenraum sind Insekten nicht vor Licht sicher, wobei sie ein eigentümliches Verhalten zeigen. Während die sprichwörtlichen Motten das Licht umkreisen, bis sie an eine heiße Stelle geraten und sterben, fliegen z.B. Wespen, Maikäfer oder die streng geschützten Hornissen kopfüber in Halogenlampen und verglühen. Bei den Kompaktleuchtstofflampen fliegen sie direkt in die Lücke zwischen den parallel verlaufenden Kolben und bleiben darin stecken, bis sie sterben und vertrocknen (Bild 3).


Bild 3) Tote Insekten in einer Kompaktleuchtstofflampe (Bild ERGONOMIC)

Selbst Leuchten mit geschlossener Abdeckung ziehen Insekten an, wobei es nur den kleinsten gelingt, einzudringen. Leider gibt es keine übereinstimmende Meinung über den Grund, warum sich Insekten den Lichtquellen nähern, sondern vier Theorien.

Die Anziehung von Insekten durch Licht wirkt sich unmittelbar auf die Lebensweise ihrer Jäger aus. So verändern Fledermäuse oder Schwalben ihren Lebensrhythmus und jagen dort, wo Licht ist. Auch sonstige Jäger ändern ihre Lebensweise unter Lichteinwirkung. So kann man in manchen Nächten Möwenschwärme über der illuminierten Semper Oper in Dresden sehen und das bis Mitternacht. Nicht allen Nachtfliegern gefällt die nächtliche Beleuchtung: Zugvögel, die auch nachts fliegen, werden nicht selten Opfer von beleuchteten Gebäuden.

Dass Licht eine hohe Anziehungskraft bei Fischen entfaltet, kennen Fischer schon Jahrzehnte. Mittlerweile haben sich ihre Lampen aber nicht nur zahlenmäßig vertausendfacht. Vielmehr schwimmen riesige Fang- und Fabrikflotten auf den Ozeanen, die buchstäblich die Nacht zum Tage machen. Auf nächtlichen Satellitenbildern können sie fast so groß erscheinen wie Großstädte. Nachts ist es auf dem Stillen Ozean nicht mehr still, sondern an vielen Orten sehr geschäftig. Nicht nur Menschen jagen da, sondern auch viele Tiere, die eine bestens beleuchtete Arena vorfinden. In Gebieten, wo Sporttaucher nachts ihrem Hobby frönen, werden sie nicht selten von Barrakudas verfolgt, die sich im Schein der Taucherlampen ihre Mahlzeit holen.

Manche Fische scheinen das Licht aber eher zu meiden, so auch der Heilbutt. Die Fischfarmer nutzen dies, indem sie die Umgebung beleuchten und die Fische zur Inaktivität zwingen. Dadurch wachsen sie schneller. Die Gänsemast lässt grüßen. Während man sich um die Zukunft von Zuchtheilbutts ja keine Gedanken machen muss, weil sie alle in der Pfanne landen werden, lohnt es sich auszumalen, wie die sonstige Tierwelt von der Lichtverschmutzung betroffen sein könnte.

Ein weiteres trübes Kapitel der nächtlichen Außenbeleuchtung betrifft die Seeschildkröten. Sie suchen zur Eiablage bestimmte Strände auf, an denen sich neuerdings zuweilen gut beleuchtete Straßen befinden und häufig Touristenanlagen. Manchmal halten sie solche Stellen gar für ihren angestammten Strand und legen ihre Eier an der falschen Stelle ab. Auch der an der richtigen Stelle geschlüpfte Nachwuchs ist gefährdet, weil die frisch geschlüpften Schildkrötenbabies beleuchtete Palmen, Strandbars oder Hütten für das rettende Meer halten.


Bild 4) Nächtliches Erscheinungsbild der Welt. Nicht nur die Zentren des Reichtums (Osten der USA, Mittel- und Westeuropa, Japan) erstrahlen in hellstem Licht, sondern auch Teile von recht armen Ländern (Nordindien) (www.lightpollution.it/worldatlas/pages/fig1.htm)

Die Folgen der Lichtverschmutzung bleiben beileibe nicht auf die hier geschilderten Fälle beschränkt. Sie treten auch nicht nur in der Ferne auf, so dass man sich damit trösten kann, nicht betroffen zu sein. Auch die Daphnien in den Tümpeln der Großstadtparks verändern ihr Verhalten durch Licht.

Einfluss des nächtlichen Lichts auf den Menschen

Nachdem sich die Menschheit den Traum fast erfüllt hat, überall und immer so viel Licht zu haben wie gewünscht, werden schon einige schlimme Folgen vermutet. Zum einen geht es hierbei um unerwünschte Verschiebungen der Tagesrhythmik des menschlichen Körpers (Näheres anderswo in Cyberlux, wo es um die Gesundheit geht) und der daraus folgenden Probleme. Hierzu kann aber auch die Lichtanwendung bei Tage beitragen. Zum anderen wird vermutet, dass bestimmte Mechanismen der Krebsentstehung mit der Lichtanwendung bei Nacht zusammen hängen. Hierbei muss man sich aber hüten, das Licht selbst als Ursache anzusehen. Die vermuteten Wirkungen hängen eher mit der - zuweilen auch gewollten - Veränderungen der Tagesrhythmik zusammen.

Wegen der Komplexität der Zusammenhänge wäre eine kurze Abhandlung an dieser Stelle mit möglichen Fehlern verbunden. Wir verweisen auf die Website des internationalen Symposiums "Light, Endocrine Systems and Cancer" vom Mai 2002 an der Universität Köln (www.uni-koeln.de/symposium2002/index2.html). Anlass für die internationale Tagung, die durch das Institut und die Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin vorbereitet wurde, waren aktuelle Forschungshinweise darauf, dass sichtbares Licht möglicherweise gravierendere Krebsfolgen hat als bisher angenommen. Obwohl sich die Tagung auf den Zusammenhang zwischen der Melatoninproduktion des Körpers und den daraus zumindest theoretisch folgenden Problemen, konzentriert hat, lassen sich aus den dargestellten Studien bzw. den noch ausstehenden Untersuchungen noch weiter gehende Zusammenhänge, z.B. zwischen Hormonproduktion und Alterungsvorgängen, der Funktionsfähigkeit des Immunsystems, den Schlafproblemen und einer Vielzahl psychophysiologischer Problemen erklären.

Die praktische Schlussfolgerung aus den hier kurz zusammengestellten Fakten ist, dass eine einfache Zuordnung von Licht als Nutzeffekt (erwünschte Wirkungen wie Sehen, Lesen etc.) und "Verschmutzung" (unerwünschte Wirkungen wie Blendung, Störung etc.) nicht möglich erscheint. Weiterhin muss man damit rechnen, dass sich Licht eines schönen Tages als Verschmutzung mit zerstörerischen Wirkungen für den Menschen und für die Umwelt erweisen kann. Bei genauem Lichte gesehen ist diese Erkenntnis so neu nicht, gilt sie doch auch für Wasser, ohne dass kein Leben denkbar ist.


Was kann man tun?

Licht, die Strahlung, die unsere Umgebung erhellt und überhaupt sichtbar macht, hat auch eine dunkle Seite, womit aber nicht der Schatten gemeint ist. Vielmehr kann Licht neben seiner beabsichtigten Funktion, uns das Sehen zu ermöglichen, tiefgreifend in die Lebensfunktionen des Menschen und aller Lebewesen eingreifen. Auch aus einer Sicht zweckmäßig eingesetztes Licht (z.B. das Licht der Nachtarbeiter im Büro) kann eine tödliche Gefahr für andere Lebewesen bedeuten. Eine eindeutige Einteilung z.B. in "nützlich" und "nicht nützlich" ist häufig ebenso wenig möglich wie eine Einteilung von Pflanzen als Nutzpflanze und Unkraut oder Insekten als Nützlinge und Schädlinge.

Es ist daher sinnvoll, auch mit Licht so umzugehen, wie man es mit potenziell gefährlichen Substanzen tut, auf die man aber nicht verzichten kann: So viel wie nötig, so wenig wie möglich verwenden.

Wie dies in der Praxis aussehen kann, lässt sich z.B. am Beispiel der Straßenbeleuchtung erklären. Bei Leuchten, die nach dieser Vorstellung sinnvoll wären, sieht man aus dem Flugzeugfenster nur die beleuchtete Straße und den Schatten der Leuchte. Die zu vermeidenden Leuchten hingegen strahlen teilweise den Himmel an, anstelle ihr Licht auf den Boden zu lenken. Zum Glück werden sie immer seltener, weil sie auch noch unwirtschaftlicher sind.

Wenn man möglichst wenig in die Natur eingreifen will, bestückt man die Leuchten mit Lampen, die insektenverträglicher sind als andere. So ziehen Natriumdampfhochdrucklampen viel weniger Insekten an als Quecksilberhochdrucklampen. Die schlimmsten Insektenfallen, Halogenglühlampen, kommen wegen ihrer schlechten Wirtschaftlichkeit ohnehin nicht in Frage. (Weitere Informationen zum Thema unter www.arge-helep.de/Naturschutz-Frankfurt/DarkSky/Lichtverschmutzung.html) In diesem Fall ist die umweltverträglichste Lösung zugleich die kostengünstigste.

Die rechtliche Regelung diesbezüglicher Sachverhalte erfolgte in der sog. "Licht-Richtlinie" (www.umwelt-online.de/recht/ luft/laender/nrw/lim_ges.htm). Sie regelt auch die Bestimmung von Lichtimmissionen und deren Messung, Beurteilung und Verminderung.

Näheres zu den Wirkungen auf Insekten wird in der LiTG-Schrift "Zur Einwirkung von Außenbeleuchtungsanlagen auf nachtaktive Insekten" beschrieben.

Bezüglich der Wirkungen auf den Menschen müssen noch Wege gefunden werden, wie man Licht verwendet und "Lichtverschmutzung" möglichst gut vermeidet. Hierzu ein kleines Beispiel: Bei etwa gleicher Helligkeit beeinflusst Licht mit einem höheren Blauanteil die Tagesrhythmik mehr als ein wärmeres Licht. Man kann sich vorstellen, dass künftig auch das Licht in Arbeitsstätten für die Nacht anders ausgelegt wird als für den Tag. Dort, wo es gemütlich wirken soll, gibt es das wärmere Licht ohnehin schon. Möglicherweise sind Menschen der Wissenschaft zuvorgekommen.

Den illustrierten Beitrag können Sie hier als PDF-Datei einsehen.


© 2002 Dr.-Ing. Ahmet Çakir